• • • • • Oded Breda ist Fußballfan, und darüber, wie sein geliebter Sport im KZ Theresienstadt betrieben wurde, hat der 60-jährige Israeli einen Dokumentarfilm, Liga Terezin, gedreht. »Fußball war definitiv nicht das wichtigste Ereignis in Theresienstadt«, sagt Breda, aber dies, die Relevanz des nicht so Wichtigen, hat Oded ein paar Jahre lang beschäftigt, es war wichtig genug, damit er seinen Job in der IT-Branche schmiss, und es hat ihn nicht nur deswegen beschäftigt, weil sein Onkel, Pavel Breda, 1944 in Auschwitz umgekommen, in der Theresienstädter Fußballliga kickte. 340 Menschen sind in den Berliner Bezirk Neukölln gekommen, meist sehr jung. Fußballfans, Politaktivisten, historisch Interessierte. »Das größte Auditorium außerhalb von Israel«, sagt Breda. Film und Liga Terezin. Donnerstag, 9. März 2017, 19:00 Uhr „Liga Terezin“ Film und Gespräch. Israel, 53 Minuten, Avi Kanner, Uri Buzaglo, Rubi Gat, Mike Schwartz Englisch mit deutschen Untertiteln Diskussion mit dem Initiator Oded Breda. Das Lager Theresienstadt nordwestlich von Prag diente den Nazis 1942-1944 als „Vorzeigeghetto“. »Heimathafen Neukölln« heißt die Location an der Karl-Marx-Straße, für Konzerte ist sie sehr angesagt seit einigen Jahren. Eine Frau vom »Heimathafen« spricht ein kurzes Grußwort: Schon früher, in den 20er- und 30er-Jahren, sei hier getanzt worden, auch Boxabende hätten hier stattgefunden, doch auch dies: NSDAP-Veranstaltungen und, wie sie sagt, »Schlimmeres«. Der große Saal, der heute Heimathafen Neukölln heißt, wurde ab 1942 als Lager genutzt, wo Möbel und anderer Besitz, der deportierten Neuköllner Juden gestohlen wurde, zwischengelagert wurde. Pitstop gießen. Fußball So nah kann NS-Terror sein. Und da ist der Bogen zum Fußball nicht mehr so weit, wie es vielleicht zunächst scheinen könnte. Im KZ Theresienstadt gab es tatsächlich drei Jahre lang nicht nur Fußballspiele, sondern eine wirkliche Liga. Sport wurde in fast allen KZ betrieben, aber diese Liga war einzigartig. Es gibt auch Filmmaterial davon: 1944 ließen die Nazis einen Film drehen, dessen inoffizieller Titel Der Führer schenkt den Juden eine Stadt lautete. Regisseur war der jüdische Schauspieler Kurt Gerron. Er, wie auch fast alle Darsteller, die in dem Propagandastreifen zu sehen waren, wurden kurze Zeit später nach Auschwitz deportiert und ermordet. In dem Film sieht man ein Fußballspiel: Im Innenhof eines großen Gebäudes spielen sieben gegen sieben Männer, etliche Zuschauer, die meisten mit dem gelben „Judenstern“ auf der Brust, schauen sich das begeistert an. Eine der eindrücklichsten Szenen von Bredas Film ist, wie er über den alten Film neue Bilder gelegt wurden, wie Oded Breda selbst, in einem Trikot, auf dem »Jugendfürsorge« steht – das Team, für das sein Onkel Pavel kickte -, in dem Innenhof läuft, den Ball führt und schießt. Peter Erben, ein früherer Spieler in dieser bizarren Liga, sagt im Film: »Ich bin sehr glücklich, dass diese Filme entdeckt wurden.« Er habe doch kaum jemand erzählen können, was er erlebt habe, wie der Alltag im Grauen des KZ war, niemand habe ihm doch seine Geschichte vom Fußball dort geglaubt. Rainer. Schauplätze Oded Breda hatte auf einem Standbild des Films seinen Onkel entdeckt. Das ging ihm nicht aus dem Sinn, er hat recherchiert, hat tatsächlich noch Überlebende getroffen: einen früheren Spieler, einen früheren jugendlichen Fan, einen dänischen Juden, der zum Filmteam von Kurt Gerron gehört hatte, er hat Fußballexperten und Filmhistoriker aufgesucht. Zusammen mit zwei anderen Israelis, Mike Schwartz und Avi Kanner, legte er los, sammelte Geld, suchte die Schauplätze auf und filmte. Es wurden 50 Minuten, die mehr erzählen als nur den Fußball in Theresienstadt. Liga Terezin FürthBreda suchte Prag auf, wo der Historiker Toman Brod, der als Kind die Liga Terezin gesehen hatte und trotz seiner Liebe zum Fußballklub Sparta Prag 70 Jahre lang kein Stadion betreten wollte, mit Breda und dem Kamerateam ein Spiel von Sparta gegen den Liverpool FC besucht. »Ich habe Angst«, bekennt Brod. Angst vor den Massen, Angst vor den gewalttätigen Fans, und der ältere Herr berichtet von der Aktualität des Antisemitismus im tschechischen Fußball. Ähnliches passiert in Amsterdam, wo Breda und sein Team ein Länderspiel der Niederlande gegen die Türkei besuchen. Junge Holländer mit türkischen Wurzeln brüllen heraus, wie fremd sie sich in ihrem Land fühlen und dass sie hundertprozentige Türken blieben. Das Länderspiel wurde abgebrochen, ein Feuerwerkskörper war aufs Spielfeld geschmissen worden. »Karneval« nennt Simon Kuper das. Liga Terezin KölnEr ist Fußballjournalist, einer der renommiertesten der Welt, und er legt Wert darauf, dass die Dimensionen nicht verrückt werden. Das alles sei kein Krieg und kein Genozid, das seien geworfene Böller, sagt er.
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